Vergangene Woche lud Microsoft sehr kurzfristig einige Journalisten zu einem “Major Announcement” am heutigen Montag Nachmittag (US-Amerikanische Westküstenzeit) nach Los Angeles ein. Bis wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn wurde der genaue Veranstaltungsort geheim gehalten, und der genaue Inhalt war tatsächlich niemandem bekannt, was zu wilden Spekulationen innerhalb der Blog-Szene und unter Journalisten führte. Viele Software-Entwickler und andere Interessierte konstruierten einen Zusammenhang mit Windows 8, was sich als goldrichtig erweisen sollte.
In der etwa einstündigen Show stellten Steve Ballmer, Steven Sinofski und Michael Anguilo vor wenigen Minuten unter der Marke “Surface”, die bisher der Nischen-Technologie für Multi-Touch-Tische vorbehalten war, eine neue Serie von Tablets vor, die Microsoft unter eigenem Namen mit Windows 8 auf den Markt bringen wird. Damit tritt Microsoft mit seinem neuen Betriebssystem ähnlich zu Apple künftig auch als Hardware-Hersteller auf.
Zunächst werden zwei verschiedene Varianten auf den Markt kommen, eine direkt zur Veröffentlichung von Windows 8 in diesem Herbst, eine weitere, leistungsstärkere etwa drei Monate später. Die Einstiegsvariante läuft unter “Windows RT”, dem Namen der Windows-8-Version für ARM-Prozessoren, und wird einen solchen der Firma nVidia beherbergen. 10,6″ HD-Display, 9,3mm Dicke und 676g Gewicht mit einem Gehäuse aus Aluminium (“VaporMg”) klingen vielversprechend. Die größere Version mit Windows 8 Pro und Intel Core i5-Prozessor der dritten Generation ist etwas dicker und schwerer (13.5mm, 903g) bringt aber bei gleicher Größer (10,6″) ein Full-HD-Display (1920×1080 Pixel) und diverse weitere technische Verbesserungen (USB 3.0, Display-Port-Anschluss usw.) mit.
Ausgesprochen interessant ist, wie Microsoft mit dem Thema User Input umgeht. Neben den bereits bekannten Touch-Fähigkeiten von Windows 8 bieten die beiden Tablets auch als weitere Optionen das sogenannte “Touch Cover” bzw. “Type Cover”, eine Art Hülle mit Magnet-Connector, die gleichzeitig als Keyboard (inkl. Multitouch-Touchpad) dient. Die “Type”-Variante ist ein vollwertiger Tastaturersatz mit mechanischen Tasten und dennoch nur 3mm dick. Beide Cover fungieren tatsächlich auch als Hülle, um das Tablet zu schützen. Damit ein bequemes Tippen mit Blick auf den Bildschirm möglich ist (bzw. für andere Gelegenheiten) besitzen beide Tablet-Varianten einen Kickstand – einen ausklappbaren Ständer, der ein aufrechtes Stehen des Tablets z.B. auf dem Tisch ermöglicht. Dieser Kickstand ist lediglich 0,7 mm dick, was durch die Magnesium-Fertigungsweise ermöglicht wird.
Windows RT “Surface” Tablet mit Touch Cover*
Das stärkere Tablet mit Windows 8 Pro und Intel-Prozessor wird zusätzlich mit einem Stylus ausgeliefert, der mit 600 dpi gesampelt wird und die schon aus Windows 7 gewohnt gute Handschriftenerkennung ermöglicht. Durch den ebenfalls lediglich 0,7 mm großen Abstand zwischen Stylus und Display und die hohe Genauigkeit wird ein ähnliches Arbeiten wie an entsprechenden Grafiktablets möglich.
Sowohl die Eingabe per Keyboard-Cover als auch per Stylus erfolgt mit gewisser Intelligenz. Beispielsweise führen aufgelegte Handballen nicht zu Störungen. Die Cover haben außerdem zusätzlich einen Beschleunigungssensor und erkennen, wenn sie nach hinten geklappt wurden; dann wird die Keyboard-Funktion automatisch abgeschaltet.
Die Variante mit Type Cover*
Die abschließend natürlich drängende Frage nach dem Preis hat Steven Sinofski damit beantwortet, dass beide Geräte sich an der aktuellen Marktsituationen orientieren werden. Die Windows-RT-Variante wird zu Preisen vergleichbarer ARM-Geräte (welche das wohl sein mögen), die Windows-8-Pro-Version zum Preis vergleichbarer Ultra-Books auf den Markt kommen.
Insgesamt handelte es sich um eine beeindruckende Vorstellung, die von der Community z.B. auf Twitter ausgesprochen wohlwollend aufgenommen wurde. Insbesondere auch die Tatsache, dass Microsoft sich bei der Vorstellung eigener Geräte eben nicht nur auf das Thema Touch konzentriert hat, wurde teils begeistert gefeiert. Auch über den wiederbelebten Stylus dürfte sich mancher Windows-Mobile-Veteran freuen. Viele Entwickler sehen diesen Schritt als zusätzlichen Auftrieb und Anreiz für die Windows-8-Entwicklung und dessen Attraktivität. Die Tatsache, dass Microsoft es wagt, auf dem Tablet-Markt als Hardware-Hersteller aufzutreten, nachdem man sich 30 Jahre lang aus dem hart umkämpften PC-Hardware-Markt herausgehalten hat, zeigt, wie wichtig man das Thema Mobilcomputing und damit auch Windows 8 nimmt.
Gleichzeitig mit der Veranstaltung wurden auch vorbereitete Seiten mit Videos, Bildern und Spec-Sheets freigeschaltet, zu finden hier:
*Photos © Microsoft®