Auch der zweite Tag ging beeindruckend los. Dr. Dirk Hoheisel von Bosch zeigte eingängig, wie uns das Auto als persönlicher Assistent im Alltag zur Hand gehen kann. Dabei muss man keine umständlichen Bedienelemente kennenlernen, sondern spricht mit dem Auto in natürlicher Sprache. Der persönliche Assistent ist aber nicht aufs Auto begrenzt. Während durch die Nachricht der Ehefrau gerade noch neue Elemente zur Einkaufsliste hinzugekommen sind, steht die komplette Einkaufsliste bei Ankunft am Supermarkt auch schon auf dem Handy zur Verfügung. Natürlich hat das Auto noch kurz einen Blick in den heimischen Kühlschrank gewährt, um sicherzugehen, dass nichts unnötig gekauft wird.
Für das autonome Fahren gab es dann auch noch einige Neuigkeiten. Um die Umgebungserkennung bestmöglich zu gestalten wird eine Mischung aus Videoaufnahmen und Radartechnik verwendet – der Einsatz von deutlich teureren Lidar-Sensoren ist nicht mehr von Nöten. Um jedoch wirklich auf die Umgebung reagieren zu können, ist Artificial Intelligence erforderlich, also Autos, die sich selbst durch lernende Algorithmen verbessern. Doch dies erfordert eine enorme Rechenleistung. Genau aus diesem Grunde stand Jen-Hsun Huang, einer der Gründer des Chipherstellers Nvidia, mit auf der Bühne. Seine Ankündigungen waren nicht weniger spektakulär. So hat Nvidia in den vergangenen 3 Jahren mit mehr als 2000 Entwicklern einen regelrechten Supercomputer im Taschenrechnerformat entwickelt. Das Bauteil, ausgestattet mit weiterer Hard- und Software von Bosch, soll das Herzstück der künstlichen Intelligenz im Fahrzeug werden. Letztlich sind die drei wesentlichen Technologiefaktoren beim autonomen Fahren die folgenden: Deep Learning, HD Maps und Artificial Intelligence Supercomputing. In die Kerbe der Karten hat dann der CEO des Kartenanbieters HERE, Edzard Overbeek, geschlagen. Seine Vision der Kartenwelt von morgen, ist die Digitalisierung der kompletten realen Welt in Kartenmaterial – in 3D und in Echtzeit. Dabei dient jeder Mensch als Sensor um Daten aus der realen Welt zu liefern und so einen digitalen Zwilling entstehen zu lassen. Er sieht dabei viele sinnvolle und nützliche Szenarien, wie z.B. die Lieferung von Waren in einem mehrstöckigen Gebäude mittels Drohne oder dem Vorschlag in Stausituationen spontan auf die U-Bahn auszuweichen, da das autonome Auto ja eh allein den Weg nach Hause findet. Das der Mensch dabei als Werkzeug zur Datenerfassung genutzt und völlig transparent wird, löst jedoch auch etwas Besorgnis aus und kann verängstigend wirken.
Besonders spannend waren auch die Breakout-Sessions zu Augmented Reality (AR). Technical Fellow Paul Davis von Boeing hat über ihre AR-Aktivitäten berichtet. Dabei sind ganz spannende Zahlen einer von Boeing durchgeführten Studie gezeigt worden. Eine Gruppe an Testpersonen hat die Aufgabe bekommen, ohne vorherige Schulung ein bestimmtes Bauteil zusammenzusetzen. Dabei standen den unterschiedlichen Testgruppen Hilfsmittel zur Verfügung. Eine Gruppe hatte eine Anleitung am Desktop-PC zur Verfügung, eine weitere eine AR-Anwendung auf dem Tablet und die dritte Gruppe auf Microsofts AR-Brille, der HoloLens. In der letzten Ausbaustufe, der AR-Brille, hat die Testgruppe eine Qualitätssteigerung von 90%, also weniger Fehler, erreicht und dabei auch noch 30% der Zeit eingespart.
Fedra Ribeiro von Bosch hat sich mit der ROI-Betrachtung von Augmented Reality beschäftigt. Im der Quintessenz sind AR-Lösungen bei Technikern als Hilfsmittel sehr gefragt. Die Gründe sind die vorher beschriebenen Möglichkeiten die Qualität zu steigern und dabei auch noch schneller zu werden. In ihren Untersuchungen hat sich gemittelt ein ROI von 15% für AR-Lösungen bei Technikern ergeben. Eine große Gemeinsamkeit zu den Boeing-Erfahrungen ist, dass für die verschiedenen Problemstellungen ein Werkzeugkasten aus AR-Lösungen zur Verfügung steht. Die Brille ist eben nicht immer die richtige Lösung. Wo das Tablet ausreichend ist, ist dies meist die kostengünstigere Variante. In anderen Fällen, wenn man z.B. auf jeden Fall die Hände frei benötigt, ist die Brille unschlagbar. Wie Timotheus Höttges am Vortrag bereits sagte: „One size fits none“.
Ein weiterer Erfahrungsbericht kam von Siemens PLM Software. Tali Segall hat sich mit dem Entwicklungsprozess von industriellen Anlagen beschäftigt. Dabei ist festzustellen, dass bislang 3D-Daten an 2D-Monitoren verarbeitet werden. Diese Arbeit bekommt jedoch eine ganz andere Qualität, wenn man 3D-Daten auch im Raum bearbeiten kann. Ein ganz einfaches, aber umso anschaulicheres Beispiel sind Reviews eines bestimmten Entwicklungsstands. Wenn die Anlage dann tatsächlich im Raum, von allen Seiten und unterschiedlichen Höhen betrachtet werden kann, ist dies ohne Zweifel einem Review am PC um Welten voraus. Dies deckt sich vollständig mit unseren eigenen Erfahrungen mit AR im Bereich industrieller Anlagen (vgl. Fallstudie Langhammer).
Rhonda Truitt von Huawei hat eine ganz andere AR-Facette beleuchtet. Während die bislang genannten Beispiele den Engineering- und Fertigungsprozess fokussierten, hat sie das Szenario der Kundenkommunikation aufgezeigt. Bei dem „Enhanced Documentation“ Szenario wird dem Kunden in Papierform Prospektmaterial geliefert. Betrachtet man dies jedoch mit dem Tablet, so wird dieses Material durch digitale Ergänzungen angereichert.
Auffallend war noch, dass bei den Präsentationen immer, wenn es um AR-Brillen ging, die Rede war von der „HoloLens oder ähnlichen Geräten“. Alle wirklich umgesetzten Show Cases basierten jedoch auf Microsofts HoloLens. Dies bestärkt uns auch noch einmal darin, dass auch wir in unseren AR-Projekten mit einer Brille massiv auf die HoloLens setzen.
In den parallelen Sessions zum Thema Connected Mobility wurden die Gedanken zum Verkehrsbild der Zukunft aus der Keynote fortgesetzt. Der Fokus ging jedoch mit dem Aufritt von Dirk Ahlborn, CEO von Hyperloop Transportation Technologies Inc., weit weg vom Auto und hin zu einer alternativen Form der Fortbewegung. Er sprach dabei von nicht weniger als der Neuerfindung der öffentlichen Verkehrsmittel. Besonders interessant dabei war vor allem, dass nicht nur die Technologie Bestandteil des Projektes ist. Es wird das gesamte Geschäftsmodell in Frage gestellt. Aus der Frage „Wie erhalte ich ein Ticket?“ wurde zunächst „Brauche ich ein Ticket?“ bis am Ende die zentrale Frage im Raum stand „Ist der Verkauf von Tickets das beste Geschäftsmodell?“. Der Vergleich zu Amazon und Facebook war dabei sehr anschaulich. Beide Unternehmen bieten kostenlose Dienste an und sind dennoch hoch profitabel. Dabei verbringt ein Amerikaner pro Tag nur etwa 15 Minuten auf Facebook. Was ist nun also im öffentlichen Nah- und Fernverkehr möglich? Die Nutzungsdauer ist hier ja um ein vielfaches höher.
Anschließend wurde das am Vortag öfter erwähnte „Connected Parking“ im Detail vorgestellt. Neben der Nutzung des Fahrzeugs als Sensor, um die Umwelt zu scannen und der Integration über Sprachsteuerung in das „Connected Car“ wie es in der Keynote vorgestellt wurde, beeindruckte einmal mehr der Einsatz von Deep Learning, um erkannte Freiflächen als Parkplatz zu melden oder gesperrte Bereiche wie Einfahrten und Ladeflächen zu identifizieren. Alles in allem wird die Mobilität der Zukunft durch drei wesentliche Eigenschaften charakterisiert sein: elektrisch, automatisiert und verknüpft.
In den Sessions zu SmartCity wurde klar, dass es grundsätzlich zwei verschiedene Sichtweisen auf dieses Thema gibt. Einmal innerhalb von Gebäuden und einmal mit breiterem Fokus auf ein gewisses Gebiet, z.B. eine Stadt. Usman Haque, CEO von Thingful.net, hat die Begriffe in dem Themengebiet etwas geschärft. Aus seinen Projekterfahrungen geht es weniger um „smart“ sondern mehr um „engaged“. In eindrucksvollen Praxisbeispielen aus England hat er gezeigt, wie die Bürger einer Stadt in die Entwicklung zur Smart City mit einbezogen werden. Weitere spannende Beispiele haben Erin Baumgartner vom MIT, Jan Karl Warzelhan von Bosch Security Systems sowie Mathias Huth (Bosch Security Systems) und Thomas Jaißle (Drees & Sommer) gezeigt. Diese reichten von Analysen der Abwässer zur frühzeitigen Erkennung von Epidemien über die Optimierung von Merchandising mittels Kundenanalyse im Verkaufsraum bis hin zur digitalen Gebäudekonstruktion, also dem digitalen Zwilling in der Bauwirtschaft.
Ein wesentliches Thema, welches während der gesamten Konferenz hier und da gestreift wurde, kam nun auch zum Gespräch: Die Vertrauenswürdigkeit all dieser IoT-Lösungen. Denn eines ist allen Anwesenden klar. IoT kann nur erfolgreich sein, wenn es auch für „Internet of Trust“ steht. Denn alle Lösungen basieren auf der Sammlung, Weitergabe und Auswertung von Daten. Hierzu ist ein höheres Maß an Vertrauen nötig, als es aktuell der Fall ist. Darum widmeten sich eine Reihe von Sessions nun der Thematik Blockchain. Dr. Matthias Schubert vom TÜV Rheinland und Ass. Prof. Dr. Felix Wortmann vom Bosch IoT Lab stellten dar, wie mit Hilfe von Blockchain die Manipulation von Kilometerständen in Fahrzeugen verhindert werden kann. Besonders interessant dabei war, dass eine solche Lösung von Käufer- als auch Verkäuferseite in einer Studie als äußerst wünschenswert bewertet wurde, und über 96% der befragten Personen auch bereit wären diese Informationen bereitzustellen. Der Bedarf ist also da! Besonders interessant an dem Konzept ist, dass der Nutzer seine Daten selber unter Kontrolle hat und nur Hashes zur Verifizierung der Daten zentral gespeichert werden. Sollen Daten irgendwann ausgetauscht werden, kann gezielt ausgewählt werden welche das sein sollen und durch die zentrale Validierung besteht keine Manipulationsgefahr.
Es wurde jedoch auch deutlich herausgestellt, dass es sich hierbei noch um eine recht neue Technologie handelt, bei der es noch einige technische Herausforderungen zu meistern gilt.
Dr. Josef Maichle von Bosch stellte abschließend ein Proof of Concept zur digitalisierten Supply Chain vor, in welchem mehrere Beteiligte mit unterschiedlichsten Cloudplattformen Daten austauschen und diese über eine zentrale Blockchain ständig validieren. Das in diesem Konzept ein Großteil der eingesetzten Technologien aus der Open-Source-Community stammt (Docker-Container, node.js und Hyperledger) unterstreicht dabei einmal mehr das Plädoyer für mehr Offenheit von Dr. Volkmar Denner aus der Eröffnungskeynote.
Zum Abschluss des Tages wurden noch die Ergebnisse des zweitägigen und parallel laufenden Hackathons gezeigt. Es ist immer wieder beeindruckend, was man in zwei Tagen alles auf die Beine stellen kann. Chapeau!
Alles in allem war die Bosch Connected World eine sehr umfangreiche Veranstaltung mit vielen spannenden Themen. Wir haben uns in vielen Bereichen bestätigt gefühlt und wieder einiges dazu gelernt. Das wohl wichtigste Take-Away ist die umfangreiche Vernetzung zwischen den verschiedenen Anbietern und Lösungen und wie diese im Zusammenspiel einen Mehrwert für den Kunden ergeben können.
Haben auch Sie IoT-Szenarien in Ihrem Unternehmen und brauchen einen Partner auf Augenhöhe, der die technische Kompetenz, aber auch den Blick fürs Business hat, sprechen Sie uns einfach an.